Während fast eines Jahrzehnts Niedrigzinsphase schrieb die deutsche Presse quasi unisono vom „Leiden“ der Sparerinnen und Sparer und forderte ein Ende der expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), des sogenannten Quantitative Easing. Die Rückkehr zum Zinssparen war allgemein erhofft worden, da ein jährlich schrumpfender Wert der Ersparnisse die private Altersvorsorge auffrisst. Es dauerte allerdings, bis in Deutschland ETFs und Aktien zunehmend als sinnvolle Anlagealternative im Niedrigzinsumfeld entdeckt wurden – besser spät als nie.
Insbesondere Aktien-ETFs rückten in der Niedrigzinsphase in den Fokus und gewannen von Jahr zu Jahr an Beliebtheit. Hat sich an der Gesamtlage etwas geändert? Auch wenn die EZB jetzt die Zinswende eingeleitet hat, die Lage hat sich nicht verbessert. Im Gegenteil: Der Realzins, also die Differenz zwischen Zinssatz und Inflationsrate, tauchte ins Negative wie nie zuvor in dieser Republik. Im Juli lag die deutsche Teuerungsrate bei 7,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Man benötigt also eine Jahresrendite in dieser Höhe, um die Kaufkraft des Ersparten zu erhalten. Klassische Zinsprodukte wie Tages-, Festgeld oder Sparbuch werden das in absehbarer Zeit nicht bieten.
Auch Aktien sind kein Garant, Jahr für Jahr Erträge oberhalb der Inflationsrate einzustreichen. Langfristig gesehen bieten sie aber die Aussicht auf Renditen, mit denen sich zielführend ein Vermögen aufbauen lässt. Zum Abfedern der Schwankungen an den Aktienmärkten liegen in vielen Portfolios zusätzlich – je nach Risikoneigung – unterschiedlich gewichtete Beimischungen an Anleihen, die ebenfalls ein Zinsprodukt darstellen. Was bedeutet nun die jüngste Entwicklung für Anleihen und für das Zusammenspiel von Aktien und Anleihen?
Jährliche Bruttorenditen des Aktienindex S&P 500 und zehnjähriger US-Staatsanleihen seit 2000 (in US-Dollar)
Der Vergleich der jährlichen Bruttorenditen des breiten US-amerikanischen Aktienindex S&P 500 und zehnjähriger US-Staatsanleihen zeigt: In schwachen oder verlustreichen Aktienjahren entwickelten sich beide Vermögensklassen aufs Gesamtjahr gesehen oft gegensätzlich. Dies galt insbesondere während der Dotcom-Krise in den Jahren 2000 bis 2002 und vor allem im Krisenjahr 2008. Man spricht hier von negativer Korrelation.
Anleihen sind üblicherweise schwankungsärmer und somit weniger riskant, während Aktien hingegen auf lange Sicht im Mittel eine höhere Rendite erwirtschaften. Die traditionelle Funktion von Anleihen in gemischten Portfolios ist es, im Depot die Schwankungen der Aktienpositionen abzudämpfen. So suchen Anlegende in stürmischen Börsenzeiten den sicheren Hafen der Anleihemärkte, was die Kurse der Schuldverschreibungen ansteigen lässt. Wer jedoch davon ausgeht, dass eine Geldanlage je zur Hälfte aus Aktien und Anleihen stets ein hinreichend ausgewogenes Portfolio bildet, liegt falsch. Es ist schon komplexer, die richtige Mischung zu finden.
Höhere Leitzinsen sind zunächst kein gutes Signal für die Entwicklung der Aktienmärkte, denn Aktien verlieren im Vergleich zu Anleihen mit gestiegenen Zinsen an Attraktivität. Dennoch kam es in diesem Jahr nicht nur zu einem Kursverlust an den Aktienmärkten, sondern vor einigen Wochen auch zu einem Ausverkauf bei Anleihen. Warum? Die Kurse der sich bereits auf dem Markt befindlichen Anleihen sind gefallen, da diese eine niedrigere Verzinsung bieten als neu emittierte Anleihen gleicher Bonität. Dadurch werden bereits im Handel befindliche Anleihen im Vergleich zu neu emittierten unattraktiver.
Was bedeutet das für die Geldanlage? Um die Quote der Anleihen im Depot beizubehalten, sollten auslaufende Schuldtitel durch neu emittierte ersetzt werden. Genau so funktionieren Anleihe-ETFs: Sie bündeln Anleihen mit Restlaufzeiten unterschiedlicher Längen und nutzen ein rollierendes System, das abgelaufene Papiere durch neue ersetzt. Anlegerinnen und Anleger müssen dabei selbst nicht aktiv werden. Anleihe-ETFs finden sich übrigens in zahlreichen Portfolios von ºÚ°µ±¬ÁϹٷ½: in allen Varianten der VaR-Portfolios (VaR 3 % bis VaR 25 %) und, je nach gewählter Risikokategorie unterschiedlich gewichtet, in nachhaltigen Portfolios der Risikokategorien ESG 0 (Gold) bis ESG 90 (Gold). Auch in Wealth-Select-Strategien wie dem Allwetter-Portfolio sind Anleihe-ETFs ein fester Bestandteil.
Anleihe-ETFs bieten wie Aktien-ETFs mittels einer einzigen Anlage Zugang zu Hunderten von Wertpapieren. Durch das ständige Rollieren passt sich ein Anleihe-ETF mit der Zeit auch dem vorherrschenden Zinsniveau an. Steigen die Zinssätze in mehreren Schritten, lassen sich mit Anleihen wieder höhere Erträge erzielen, sodass diese gegenüber Aktien weiter an Attraktivität gewinnen. Gleichzeitiges Investieren in beide Vermögensklassen kann so das Zinsänderungsrisiko mindern.
Geldpolitik ist für Zentralbanken stets ein Balanceakt. Steigende Leitzinsen bremsen nämlich sukzessive das Wirtschaftswachstum. Denn nicht nur der kreditfinanzierte Konsum nimmt ab, auch fahren Unternehmen aufgrund steigender Kreditkosten ihre Investitionen zurück. Beides beeinträchtigt die Gewinnentwicklung von Unternehmen. Auch leiden bei Zinsanstiegen die Bewertungen börsennotierter Wachstumsunternehmen, denn diese basieren auf den abgezinsten Erwartungen über künftige Gewinne. Da aber bei Wachstumsunternehmen Gewinne meist erst in fernerer Zukunft anfallen, werden diese bei höheren Zinssätzen stärker abgezinst als bei Unternehmen, die bereits jetzt profitabel sind.
Typischerweise kommunizieren die Notenbanken ihre geplanten Zinsschritte, wenn auch mehr oder weniger verklausuliert. Allerdings ist unklar, welches Zinsniveau die EZB anpeilt, um die Teuerung zu bekämpfen. Ein Leitzins von zwei bis drei Prozent dürfte die Inflationsrate zwar bremsen, aber nicht auf das Ziel von zwei Prozent herunterbringen. Hohe Leitzinsen der EZB werden durch den hohen Verschuldungsgrad für die südlichen Euroländer wie Italien, Spanien und Portugal zum Problem. Da Staaten ihre Haushaltsdefizite über Anleihen finanzieren, muss die EZB, anders als die US-Notenbank Federal Reserve, auf die Zinsdifferenzen, den sogenannten Spread, zwischen Staatsanleihen verschiedener Euroländer achten, um die Kosten der Schuldentilgung einzelner Ländern nicht aus dem Ruder laufen zu lassen.
Der Spread zwischen italienischen und deutschen zehnjährigen Staatsanleihen liegt mit etwa 2,5 Prozentpunkten auf einem Zweijahreshoch. Für das hochverschuldete Italien könnten anziehende Leitzinsen letztlich zur Staatspleite führen. Mit dem neu eingeführten Transmission Protection Instrument (TPI) ist es der EZB allerdings künftig möglich, selektiv Anleihen einzelner Euroländer zu kaufen, um stützend einzugreifen. Was dies für den Euro und den Euro-Währungsraum bedeuten kann, lesen Sie in einem Kommentar von ºÚ°µ±¬ÁϹٷ½-Capital-Mitgründer Stefan Mittnik..
Fazit: Aktien-ETFs sind auch in Zeiten hoher Teuerung und Zinswenden eine Lösung für den mittel- und langfristigen Vermögensaufbau. Was einen Anleihe-Baustein in Form von ETFs angeht: Mit steigenden Leitzinsen wird diese Anlageklasse mittelfristig wieder attraktiver werden.
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